Tempo 30 wird in Belgien mehrheitsfähig
am 01. November 2013
Eine neue repräsentative Umfrage aus Belgien zeigt eine wachsende Zustimmung zu Tempo 30: die Hälfte der Befragten wünscht es sich heute in der ganzen Stadt, 61 Prozent sind immerhin für eine deutliche Ausdehnung der bestehenden Zonen und 68% wollen dass für alle Schulwege Tempo 30 gilt. Bemerkenswert ist das deshalb, weil der Wunsch nach Tempo 30 in großem Stil erstmals dort geäußert wurde, wo es nicht sehr viel Erfahrung damit gibt. Bisher hieß die Regel immer: Zuerst sind alle dagegen, dann wird es trotzdem (probeweise) eingeführt, danach sind alle zufrieden. Offenbar ist jetzt mehr Dynamik im Spiel. “Die Bevölkerung ist weiter als die Politik”, sagt unser EBI-Aktivist Luc Goffinet, der die Zusammenfassung der Studie geschrieben hat, und wünscht sich mehr Mut in der Politik.
Mobilität und Temporeduzierung: wie sieht das die Bevölkerung in Belgien?
Im September 2013 beauftragte die Organisation « Inter.Environnement Wallonie » das Institut Dedicated Research mit einer Umfrage über die Wahrnehmung von Umweltfragen in Brüssel und der Wallonie. Diese Gelegenheit wurde genutzt, 1.203 Interviewpartner.innen vor Fragen im Hinblick auf weniger negative Nebenwirkungen, Verkehrsberuhigungen und die Einführung von Tempo 30 zustellen.
Es überrascht nicht, dass mit 79% von geäußerten Wünschen die Reduzierung der Luftschadstoffe und mit 71% eine Reduktion von Verkehrsunfällen ganz oben stand. 60% wollten die Finanzvorteile für Geschäftswagen abbauen, 42% den Bau von neuen Straßen stoppen… alles allerdings, ohne das Auto selber zu sehr anzutasten.
In Bezug auf das Fahrradfahren wollten 77% der Befragten von der Fahrbahn getrennte Radwege, 73% geschützte Abstellmöglichkeiten, außerdem wurden Kampagnen zur Sensibilisierung von Autofahrern gewünscht. 61% wollten die Gesetzgebung zugunsten des Radverkehrs ändern… und es gab 73% Unterstützung für den Vorschlag, für Fahrten mit dem Fahrrad zur Arbeit eine finanzielle Vergütung vorzuschreiben.
Als man dann zur Sache kam, nämlich zu der Frage, wie die Leute zu Tempo 30 stehen, zeigte es sich, dass tatsächlich eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger (61%) die Ausdehnung von Tempo 30-Zonen sehr begrüßen würden. Dabei war die Zustimmung für Tempo 30 für Schulwege mit 68% noch einmal höher. 50% votierten für Tempo 30 in der ganzen Stadt.
Eine Mehrheit wusste außerdem die Vorteile einer Tempo-30-Stadt zu würdigen, zweifelte aber, dass Tempo30 wirklich eingehalten würde. 68% fanden daher, dass die die Polizei verstärkt Kontrollen durchführen solle.
Schließlich ergab die Befragung auch, dass die große Tempo-30-Zone in Brüssel nicht sehr bekannt ist – Nur 60% der Bewohner.innen von Brüssel und 40% der Menschen im umgebenden Wallonien wussten davon. Das Konzept des belgischen Städtenetzwerks „Ville 30“ kannten nur 15%. Was davon zeugt, dass die Zustimmung zu den vorgeschlagenen Instrumenten zur Verkehrsberuhigung offenbar von Herzen und aufgrund der ureigenen Erfahrungen kam.
Die Auftraggeber der Umfragen folgern aus der Umfrage, dass die Bevölkerung in diesen Fragen schon „progressiver“ als die herrschende Politik ist. Warum also nicht auf diese Haltung setzen und mehr politischen Ehrgeiz für eine entschleunigte Stadt entwickeln?
Luc Goffinet