Freiburg im Breisgau, traditionelle Universitätsstadt und beliebtes Touristenziel mit etwa 222 000 Einwohnenden, wurde schon früh für sein innovatives Gesamtverkehrskonzept bekannt. Bereits 1973 wurde die gesamte Altstadt von Freiburg zur Fußgängerzone umgestaltet. Damit gehört Freiburg zu den ersten Städten mit einer eigenen Fußgängerzone.
Seit den 1980er Jahren bemüht sich Freiburg, eine „Stadt der kurzen Wege“ zu werden, außerdem mit einem attraktiven ÖPNV und Verbesserungen für den Rad- und Fußverkehr den Autoverkehr zu verlagern. “Als Ergebnis dieser Verkehrspolitik hat die Stadt Freiburg sowohl einen niedrigen Kraftfahrzeugbesitz als auch einen niedrigen Anteil der mit dem Kfz zurückgelegten Wege im Modal-Split.” (Freiburg 2009)
1990 wurde Tempo 30 flächenhaft für alle Wohngebiete der Stadt eingerichtet. Zusätzlich richtete man auch Spielstraßen ein. Von der Verkehrsberuhigung ausgenommen blieben lediglich Gewerbe- und Industriegebiete und die meisten Hauptverkehrsstraßen. Von den 540 Kilometern des Freiburger Straßennetzes sind heute 400 Kilometer als Tempo 30-Zonen ausgewiesen.
Pilotversuch mit Tempo 30 auf einer Hauptverkehrsstraße
Im Mai 2010 wurde mit “Tempo 30 nachts” ein einjähriger Pilotversuch auf der Bundesstraße B31, der wichtigsten Stadtdurchfahrt, gestartet, mit dem Ziel, den Lärmschutz zu verbessern. Wegen der guten Ergebnisse entschied der Stadtrat nach einem Jahr einstimmig, Tempo 30 dauerhaft auszuweisen. (s. Badische Zeitung 1.9.2012)
Maßnahmen; Ergebnisse: Geschwindigkeitsänderungen, Verkehrsfluss, Fahrverhalten, Lärm, Luft;
Wissenschaftliche Begleitung: Methodik, Hier verwendete Literatur
Maßnahmen
Maßnahmen
Maßnahmen für Tempo 30 auf Wohnstraßen
– Beschilderungen und Fahrbahnmarkierungen („30 Zone“),
– Keine baulichen Maßnahmen
Maßnahmen während des Pilotversuchs auf der B 31
– Beschilderungen,
– Keine baulichen Maßnahmen,
– Maßnahmen zur Optimierung des Verkehrsflusses auf der B 31: Programmierung der betroffenen Ampelanlagen für Tempo 30; Einschränkungen beider Vorfahrt für querende Straßenbahnen auf den Versuchsstrecken,
– kontinuierliche Radarkontrollen, die zwei Monate nach dem Start des Pilotversuchs begonnen wurden;
Weitere Maßnahmen in Freiburg
– Einrichtung von zahlreichen Spielstraßen und weiteren verkehrsberuhigten Bereichen. Die Verkehrsberuhigungsmaßnahmen werden nur nach Beteiligung und Zustimmung der Anwohnenden umgesetzt,
– Konsequente Förderung des ÖPNV,
– Dichtes, über viele Jahre hinweg entwickeltes Radwegenetz,
– Konsequente Parkraumbewirtschaftung
(Pless 2005)
Ergebnisse
Geschwindigkeitsänderungen
Während des Tempo 30-Versuchs auf der B 31 sanken die Durchschnittsgeschwindigkeiten um bis zu 16,6 km/h.
Details
Die Werte vor Beginn des Tempo-30-Versuchs zeigen Durchschnittsgeschwindigkeiten unterhalb des vorgeschriebenen Tempolimits. Nachts wurde schneller gefahren, und auf den Fahrspuren in Richtung Osten waren das dann auch durchschnittlich um 5 Kilometer schneller als erlaubt.
Wie die Grafik zeigt, sank nach der Einführung von Tempo 30 das durchschnittliche Tempo um bis zu – 12,6 km/h Durchschnittgeschwindigkeit (in Richtung Osten). Mit Radarkontrollen verbesserten sich die Ergebnisse um weitere 3-4 km/h, auf bis zu – 16,6 km/h.
Bemerkenswert sind die Unterschiede in Richtung Westen, weil die Messstelle noch knapp vor dem Temposchild war, also streng genommen noch gerade eben im Tempo-50-Bereich. Eindeutige Wirkungen gibt es hier aber auch. Das Bewusstsein, in einer Tempo-30-Zone zu sein, hat sogar auf die Fahrweise tagsüber ausgestrahlt, denn selbst zwischen 6 Uhr und 22 Uhr wurde um bis zu 2,4 km/h langsamer gefahren, obwohl das nicht vorgeschrieben war. (Quelle UBA 2015)
Verkehrsfluss
Bei dem Pilotprojekt auf der B 31 ergaben sich keine zusätzlichen Halte durch Tempo 30. Entscheidend dafür war, dass auch die Ampelschaltungen angeglichen wurden. (UBA 2015)
Fahrverhalten
Einhaltung von Tempo 30
Etwa jedes siebte Fahrzeug war zu schnell unterwegs.
Details
14,9 Prozent aller Auto- und Lasterfahrer waren zu schnell unterwegs. Bei Fahrten stadteinwärts gab es mehr Verstöße als stadtauswärts.
“Die höchste Temposünderquote registrierten die Kontrolleure auf der Schwarzwaldstraße stadteinwärts, wo 17,8 Prozent aller Fahrer zu viel Gas gaben. 17,1 Prozent waren es auf der Kronenstraße. Die Eschholzstraße liegt mit 15 Prozent Beanstandungen im Schnitt. An der Dreisamstraße fuhren 17 Prozent der Autofahrer zu schnell, auf der anderen B31-Seite an der Schillerstraße sieben Prozent. Nach anfänglicher Umstellungsphase habe man nun gute Werte erreicht, das Tempolimit werde eingehalten, urteilt Bürgermeister Neideck.” (Badische Zeitung 8.9.2010)
Veränderungen in der Verkehrsmenge
„Relevante Verkehrsmengenänderungen infolge der Tempo-30-Anordnung wurden nicht festgestellt.“ (UBA 2015)
Lärm
Bei den Messungen im Rahmen des Pilotversuchs auf der B 31 sank der Dauerschallpegel bei Tempo 30 um 3,1 dB(A) und die Lärmspitzen auf fast 2 dB(A). Auch die Schwankungen der Lärmpegel erwiesen sich als deutlich geringer als bei Tempo 50 (UBA 2015)
Details
Luft
Nachdem Tempo 30 für die Nachtstunden eingeführt war, sanken die Werte für NO2 und PM10 leicht, nachdem dessen Einhaltung auch kontrolliert wurde.
Die Messungen vor und nach der Einführung ergaben, dass die NO2-Werte nach der Einführung auch tagsüber zurückgingen.
Wissenschaftliche Begleitung
Methodik der Untersuchungen
Vorher-und-Nachher-Messungen an einer Dauermessstelle an der B 31(Schwarzwaldstraße), ein Teil der Nachher-Messungen wurde ohne, ein Teil mit Geschwindigkeitskontrollen durchgeführt.
Einhaltung des Tempolimits: Radarkontrollen des Freiburger Amts für öffentliche Ordnung zwischen Juli und Anfang September 2010 (etwa 212 Stunden während 80 Messeinsätzen)
Luftqualität: Vergleichende Immissionsmessungen an der B31 (Dauermessstelle Schwarzwaldstraße) während jeweils 6 Monaten vor und nach der Einführung von Tempo 30 nachts, zusätzlich während der ersten zwei Monate ohne Geschwindigkeitskontrollen. Messtermine waren:
vorher: 1.7. – 31.12.2009;
Tempo 30 nachts ohne Radarkontrollen: 21.5. – 31.6.2010
Tempo 30 nachts mit Radarkontrollen 1.7. – 31.12.2010
Hier verwendete Literatur
Badische Zeitung 2010
Badische Zeitung, Röderer, J: Tempo 30-Gebot: Nur etwa jedes siebte Auto wird geblitzt; 8. September 2010
Pless 2005
Pless, H / Bund für Umwelt- und Naturschutz: Kommunale Handlungsmöglichkeiten zur Bekämpfung von Verkehrslärm, 2005
UBA 2015
Heinrichs, E., Leben, J.; Hänisch, A-S.; Cancik,P. (UBA, Hrsg): TUNE-ULR, Technisch wissenschaftliche Unterstützung bei der Novellierung der EU-Umgebungslärmrichtlinie; Arbeitspaket 2: Geschwindigkeitsreduzierungen; Dessau-Rosslau 2015;
Die Kampagne “Trendsetter für 30 km/h” wird unterstützt von der Dr. Joachim und Hanna Schmidt-Stiftung.